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    Death in June go Chuzpe

    Faschismus, Fistfuck, Fetisch & Farce. Wie ihr wisst, ist die Popkultur voll von verkleideten, schwulen Maskenmännern, die uns wirres Zeug erzählen wollen. Da auch Vice sich in letzter Zeit verstärkt mit dieser Kategorie Künstler auseinandersetzt und das Thema des Monats „Banden und Kulte“ ist, darf Douglas Pearce, der Mastermind von Death in June, nicht unerwähnt bleiben, zumal er gerade eine genüssliche Selbst-Demontage der eigenen Legende betreibt.

    „Legende? Death in June? Wer soll das sein?“ fragen sich jetzt bestimmt einige von euch, vor allem die, die mit Hip Hop als Adoleszenz bestimmendem Abgrenzungsmechanismus aufgewachsen sind. Um es kurz zu machen: Death in June ist ein Projekt von Douglas Pearce, auf das die Teenager bereits seit über 20 Jahren zurückgreifen können, um ihren Eltern Sorgen zu bereiten. Nun sind es in erster Linie die dem Bildungsbürgertum zugehörigen Kids, deren Eltern wohlsituiert aber gefühlsarm sind, die es dann in die Gothic-Ecke treibt, in der sie natürlich erst einmal auf Marilyn Manson, NIN, Rammstein & Co stoßen, um irgendwann vielleicht in die Randbereiche von Industrial und Neo-Folk vorzudringen. Dort tummeln sich naturgemäß eine Menge Neurotiker und Bauernfänger, die gern mit den gängigen Tabus kokettieren oder sich auf ihrer Suche nach Halt und Sinn in kruden Weltbildern aus National(sozial)ismus, Heidentum und anderer Esoterik verfangen haben.

    Death in June haben ihre Karriere mit Entfremdungs-Post-Punk a la Joy Divison begonnen, um irgendwann in den Achtzigern das Genre Neo-Folk mit zu erfinden. Wandergitarrenmusik, die in diesem Falle kryptische Texte über bessere, heidnische Welten und den Untergang der westlichen Welt, wie wir sie kennen, untermalt. Natürlich alles hochsymbolisch. Mitunter wurde auch mal das Horst-Wessel-Lied intoniert. Dazu Soldaten, Runen und Steinmetzkunst auf den Covers, Geheimniskrämerei, ein ausgeklügeltes PR- und Vertriebssystem, Ökonomie und Stringenz in Ästhetik und Konzept – fertig ist der Kultstatus. Davon lässt es sich gut leben und man kommt dabei noch um die Welt. Irgendwann kommt dann allerdings ein schlauer brauner Kopf darauf, dass man über diese Schiene tatsächlich orientierungslose, labile junge Leute politisch motivieren könne und das Ding verselbstständigt sich, von wegen die Geister, die man rief und so... Das zehn Jahre alte Album „Rose Clouds of Holocaust“ ist zumindest dann doch noch auf dem Index gelandet, weil es sein könnte, dass auf ihm der Holocaust geleugnet wird. Pearce sah sich diesbezüglich veranlasst, ein Statement zu seiner Kunst abzugeben, das letztendlich nur verdeutlicht, dass die Frage, ob denn der Narr oder derjenige, der dem Narren folgt, der größere Narr sei, zwar stets zugunsten des Künstlers beantwortet werden sollte, was allerdings die Sache nicht besser macht. Aber das ist eine andere Geschichte.

    Douglas Pearce hat aus seiner Homosexualität und seinem Uniformfetisch nie einen Hehl gemacht. Wenn einer von euch sich also dazu entscheidet, seinem Alltagszynismus durch nazistische Posen den letzten Schliff zu geben, bitte immer daran denken, dass das „Männerbündische“ in gewissen Szenen wörtlicher genommen wird als euch wahrscheinlich lieb ist. Das lässt sich zurückverfolgen bis zu den Spartanern und den cäsarischen Armeen des Alten Roms: man kämpft einfach noch hingebungsvoller füreinander, wenn man sich auch sonst sehr nahe ist. Homosexualität muss nicht immer so latent sein wie bei dir und deinen Buddies, wenn ihr mal wieder besoffen durch die Stadt zieht und euch für die Größten haltet, während ihr euch gegenseitig stützt und die Arme umeinander legt.

    Auf seine alten Tage konzentriert sich Douglas Pearce offensichtlich auf seine eigentlichen Motivationen, erstellt sein Profil in einer Gay Community, um sich das Abschleppen von Groupie-Twinks in SS-Uniformen zu ersparen und liefert einen Porno nach, in dem er endlich jemanden ficken kann, der wie Erich Roehm aussieht (Erich Roehm, ein Idol von Pearce, war ein homosexueller SA-Führer, der seinerzeit hingerichtet wurde, weil er Hitler putschen wollte).

    Das alles ist natürlich sein gutes Recht, der Mann hat schließlich auch ein Privatleben, es ist aber beachtlich, dass er diese Informationen konsequenterweise auch seinen stets um Intellektualität und Contenance bemühten Fans über den Band-Newsletter mitteilt, abschließenden Satz möge man sich auf der Zunge zergehen lassen: „I hope you've all had a Happy Eostra getting stuck into plenty of buns and that your lips have never been far from being wrapped around an egg or 2. I've devoured quite a few this weekend. Douglas P.“ Missionarischer Eifer? Übermütigkeit? Ein weiteres geniales PR-Konzept? Der letzte Versuch? Die Mehrheit der Anhängerschaft ist verunsichert. Vor nicht allzu langer Zeit noch zum Death in June Art Contest aufgerufen, einem Wettbewerb, bei dem es in bester Micky-Maus-Tradition darum ging, ein Lied des Helden visuell umzusetzen und dessen Gewinner seinen Star persönlich treffen durfte, besteht heute die Chance, wirklich alles von Pearce zu bekommen. Der feuchte Traum eines jeden aufrechten Fans, sollte man meinen. Also stramm gestanden, Hand an den Sack, zack zack!

    André Pluskwa

     
    http://vice.typepad.com/vice_germany/2006/11/death_in_june_g.html