ELECTRIC INFINITY VIII

29.10.2011 - GARAGE

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ELECTRIC INFINITY VII

Lineup

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WAKE UP

01.04.2011 > Salon Hansen

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13th Monkey live

Maschinenfest / 5.-7.11.2010

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    Etikette(n)!

    Keine Gnade für die lahmen Pferde Pornographie wird nach dem Erguss ja meist ausgeschaltet, was auch erklärt, wieso Menschen sich an einem Mittwoch fünf Porno-DVDs (und einen Anstandsfilm) ausleihen, wird doch schliesslich sehr schnell das erste Zentrum der Sitzung schuldgefühlbeladen entfernt, nach einer Kunstpause wird der nächste, noch unbefleckte Objektträger der eigenen Begierde in den Player geschoben, der Ritus beginnt von vorn, eine neurotische Sisyphosarbeit mit Marathon-Appeal. Langen Atem benötigt man für gewöhnlich auch für das kriminelle Universum in den Büchern James Ellroys, der in miteinander wieder und wieder verschachtelten Plots fiktive und reale Charaktere im Hollywood/L.A. der 50er bis Heute ganz Noir hässliche Dinge denken, sagen und tun lässt. In „Endstation Leichenschauhaus“, einer Sammlung aus Kurzgeschichten, Aktensichtungen ungelöster Mordfälle und Essays gewährt der sympathisch selbstverliebte Romancier, inzwischen domestiziert, ergraut und gegen die Todesstrafe, Neulingen Möglichkeit zum Einstieg in eine Welt voller verlogener, korrupter und/oder heldenhafter Polizisten, erpresserischer Schmierblattredakteure, die gern den einen oder anderen Filmstar via Phellatio-Photos um ein paar $ erleichtern, notgeilen Präsidentschaftsanwärtern, schiesswütiger Schauspielerinnen und einer Spuren von Blut, Geschlechtsflüssigkeiten und Speichel auf dem Sunset Boulevard hinterlassende Horde von Spinnern, Perversen und Kleinkriminellen, zu denen Ellroy sich in jungen Jahren selber zählte, autobiographische Aufsätze wie „Mein Leben als Spanner“ oder „Wo ich meinen wilden Scheiss herhabe“ sprechen da für sich.

    Ein Panoptikum des amerikanischen Bodensatzes, den das System geschaffen hat, um nicht auseinanderzubrechen, Humus für alles darüber, Geld und die Illusion von Freiheit:

    „USA, USA, where my sweet wife can dance another free day, USA, USA!“ (Neil Young, Hawks Doves)-Während Jane Fonda in dem sehr zu empfehlenden „They shoot horses, don’t they?“ um ihr Leben tanzt, kann man sich über die Erkenntnis, dass die Menschen für Geld ja so ziemlich alles machen, und die Transformation des Titels in „Nur Pferden gibt man einen Gnadenschuß“ freuen, auch da ersteres schon, das zweite ja eher nicht stimmt, was einem so ziemlich jede(r) fixende(r) Prostituierte(r), die/der stets für und nie ohne das Gift am Arbeiten ist, bestätigen wird, gemeint sind hier diejenigen StrassenarbeiterInnen, die zumeist das Klientel abbekommen, welches, sozial abgesichert in alle Richtungen, aber nicht minder abhängig als der gemietete Körper, seine kurzfristige Entladung via Degradierung des Gegenübers zu erreichen versucht, um „Danach“ mit glattgestrichenem Hemd und schnellen Blicken auf die Strasse zurückzukehren, die Mittagspause ist schon bald vorbei, innen arme machtsüchtige emotionale Zombies, die gerne ihre Erektion mit Lebendigkeit verwechseln, in Rudeln gern in Dark Rooms, den rottigeren Sex Shops oder einschlägigen Kneipen zu begutachten. Wer so weit nicht gehen will und wem „Die Leidenschaft des Michelle Foucault“ zu dick und Houllebecq zu resignativ ist, versuche sein Glück mit „AutoFocus“ (beim DVDLeaser Deiner Wahl), eine Biographie des „Hogan’s Heros“ (US-Comedy-Serie späte 70er, angesiedelt in einem KZ)-Protagonisten Bob Crane, den seine Sucht letztendlich umgebracht hat.

    MinistryMasterMind Al Jourgensen, schon immer gut im Titelausdenken (auch wenn er mit „Dark Side of the Spoon“ weniger den seinerzeitigen Heroin-Chic des Tarantino-Universums traf, sondern eher knapp trainspottinggescheitert über die Linie kalauerte), haut in die gleiche Kerbe, nannte Projekte „1000 Homo DJs“ oder „Revolting Cocks“, alles wiederveröffentlicht auf Rykodisc (ewige Dankbarkeit wg Big Star „Sister Lovers“ Reissue) und bewies bereits seinerzeit, dass musikalische Härte, Tanzbarkeit, Übersexualisierung und ein gesundes Misstrauen gegenüber dem Vaterland gut zusammengehen. Genausogut im Titelgeben („Schwarzer Sabbat für Dean Martin“), aber ganz anders sublimieren Bohren der Club of Gore, deren neuestes Werk „Geisterfaust“ genau eine Handvoll Instumentals beherbergt, die jenseits von Zeit und Raum als sedative Meditationen aus den Boxen fliessen, dunkel wie die Anzüge dieser Herren, edel wie ihre Instrumente, jenseits allen BPM-Wahns (über 40 bpm läuft hier nix), weniger Ambient als Lounge, aber in die Cocktails scheint was eingemischt, dass dich schwitzen lässt, du kannst deiner Wahrnehmng nicht mehr so recht vertrauen und alles Fühlen verdichtet sich im unteren Drittel deines Sonnengeflechts.

    In 50 Jahren hoffentlich so bezeichnend für -deutsche Musik wie Kraftwerk Can. Einzigartig live in HH am 11.5. auf der Weltbühne (Tbc). Die Avant-HipHopper von Dälek lassen den Sex weg, sind aber trotzdem sexy und gehören zum Besten auf Mike Pattons Avantgarde-Atonal-Abstract Label Ipecac: HipHop, der, meilenweit von MTV, „Bitch!“-Geprolle und Autoindustriesponsoring entfernt, ganz anderen Ideen folgt. Das tut auch ex-Throbbing Gristle/Psychic TV Chief Artist Genesis P.Orridge, der sich gerade so nach und nach zur Frau umoperieren lässt, derweil seine Frau es umgekehrt vollziehen lässt, mitzuverfolgen auf www.genesisp-orridge.com. Respekt. Popkultur. Der letzte Versuch.

    „When you are old, you just get a hole in the ground“
    „Die Kinder gehen alle tot“ (Mutter 1988)
    „Doing the garden, digging the weeds, who could ask for more“ (Paul McCartney 1967) (Kampmann 2000)

    Das Ende? Nein, es geht immer noch schlimmer. Auch die Popkultur vermag in Punkto Massenhypnose zuweilen Meister aus anderen Branchen zu finden. Der neue Harry-Potter-Band ist da (zumindest in England). Kinder werden mit dem im Buchhandel erhältlichen elterlichen Generalablass für kulturelle Verflachung für gute Zeugnisse belohnt werden, Eltern, aber auch kinderlose erwachsene Leser, die sich durch Erwerb und Konsum dieser Bücher beweisen können, nicht zu den unterprivigilierten Klassen zu gehören, in denen medial überhöhter Lesestoff keine Rolle spielen kann (Ausländer, Alkoholiker, Asoziale), projezieren ein weiteres Abziehbild des Guten Kindes auf ihre wehrlosen Töchter und Söhne, von der In-Liste der „Bild-Zeitung“ über die „Brigitte“ zur Infotainment-Mafia der Fernsehsender werden sich alle einig sein.

    Die fitteren Kinder, die bei so viel Konsens natürlich argwöhnisch werden und eine gesunde Antipathie entwickeln, müssen sich auf Ausgrenzungsmechanismen in Schule und Familie gefasst machen, wie immer wird der Gral der Verblendung geleugnet und geschützt, die kleine Illusion von Heiler Welt, ein weiterer offiziell abgesegneter Gleichschalter unvernünftig hart verteidigt. Scientology ist überall. Dann doch lieber Audiolith, blowing you mind with good music. Ehernes Ziel, gute Menschen: Von Pennäler-Wahn (Plemo) über mutierten Synthie-Pop (Dance Inc)und KeyboardGuerillas (Juri Gagarin) bis hin zur Hamburger Liedermacher-Schule ohne Schanzen-Faschismus (Clickclickdecker, „Ich habe keine Angst vor...“, gerade raus, wirklich gut und angenehm nichtbesserwisserisch) und allerlei mehr ist Audiolith eine Reise wert. Musik, die aus Liebe zur Sache entstanden ist, ist in den hiesigen Pop-Medien weniger und weniger zu finden, auch wenn stets das Gegenteil behauptet wird, fündig wird man auf jeden Fall bei www.audiolith.net. Ebenfalls aus Liebe zur Sache ist vor 20 Jahren der Mailorder/das Label Glitterhouse entstanden, die sich nicht in light balearic beats versuchen, sondern Folk/Country/Roots/Americana in Europa einen neuen Stellenwert gaben. Eine feste Institution.

    Für Einsteiger: Die Retrospektive „Nevermind“, 3 CDs voll schöner Musik, die weit ist, und gern auch aus dem Radio schallen darf, wenn die Strassen und der Hals staubig , die Nächte klar sind und dein Verstand blau gefärbt, www.glitterhouse.com.

    Andere Idealisten, andere Musik, bunt, frei vom Stil-Diktat, everything goes: Die heimischen Pfleger subkultureller Urwälder, Sonic Fiction, retrospektieren über den [gegenwaerts:frequenzen]-Sampler, der die meisten der Künstler, die im Rahmen der titelgebenden Partyreihe dort aufgetreten sind, versammelt und einen Eindruck über Gestus und Wesen der Sonic Fiction vermittelt. Wir treffen dort auf schwedische Krautrocker (Now!), Münchner Reefer Cowboys (Polcid AC), französische Horror Technoids (Sulfurik) und so viele mehr, dass es sich empfiehlt, selber reinzuhören, um mitstaunen zu können über die seltamen Blüten, die der Underground treibt in norddeutschen Kleinstädten und deren Düfte farbenfroh verzaubern, pollinated, wahrhaftig: www.sonic-fiction.net. Release Party, inc Click-Resident Lawrence, am 22.4. im Vamos. Tip!

    That’s all, folks!

     

    (myc31)