ELECTRIC INFINITY VIII

29.10.2011 - GARAGE

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    HEARTWORMS

    Ich bin wieder da.

    Kalt wie Eis, kalt wie Eis, du wiederholst diese Worte, ich trichtere sie dir durch deine gespitzten Pupillen vor dem Spiegel ein. Mein Mantra hat Spuren hinterlassen, das Ergebnis jahrelangen Trainings und gezielter Autosuggestion. In deinen besten Momenten weißt du, dass ich einen diffusen Plan verfolge. Ich kenne meinen Auftrag und seine Auftraggeber nicht, aber ich weiß, dass es sie gibt. Ich spüre es. Eine schwache Stimme flüstert „Unsinn!“ in mich ein, aber ich verjage sie mit einem Handschlag. Ich spüre eine Welle der Kraft empor brechen, deine Hände umklammern das Waschbecken, sie zittern nicht.

    Jetzt schweife ich eingesperrt durch diese viel zu kleine Wohnung. Ich sollte rausgehen und etwas erleben. Erfahrungsgemäß werde ich die Sache an die Wand fahren. Ausrasten, die Kontrolle verlieren, es wird Ärger geben. Du hast dich ganz zurückgezogen, weil du weißt, dass es besser für dich ist.

    Du erinnerst dich gut an das letzte Mal. Als du aufgewacht bist, war da überall Blut. Und bewegen konntest du dich auch nicht. Wir waren fixiert.

    Auf der Straße werden wir eins. Wir sehen plötzlich ganz klar, scharf umrissen ist jeder Gedanke, wir blicken jedem Passanten auf den Grund seiner Seele. Wir verstehen alles. Die große Sinnlosigkeit klafft über uns zusammen.

    Wir gehen auf die Jagd nach Zerstreuung, wir durchdringen uns wie die Geräusche, aus Menschen, Autos, Musik wird ein Brei. Tag und Nacht interessieren uns nicht. Nur weiter, immer weiter.

    Kein Schwarm nimmt Vögel auf, die nicht fliegen wollen. Sie bleiben traurig allein zurück und picken trostlos im Staub herum.

    Von ihnen gibt es unzählige. Nur die Augen auf, die grauen Mäuschen, sie können sich nicht verstecken. Manche sitzen allein in einer Bar, immerhin.

    Du trinkst mit ihnen, du bist freundlich, du machst sie nicht an, du verteilst Komplimente, Sachen wie „Ich bin nur so gut wie mein Gegenüber“, wenn sie dir sagen, dass sie dich mögen.

    Zu wem? Angenehmer ist es bei ihnen. Bei uns herrscht das Chaos. Du könntest es erklären, sicher, aber du bevorzugst die Harmonie. Sie besitzen harmlose Büchlein, du brichst in ihre Symmetrie mit deinen wilden Augen, deinen Herzwürmern, den Zweigen, die gegen die Fenster kratzen.

    Du vergisst langsam, endlich, alle Melodramatik. Etwas anderes erwacht, etwas, dass die ganze Zeit unausgegoren da war. Die Graumäuse werden dann immer etwas ängstlich, aber wir wissen es besser.

    Ich lasse euch dann scheinbar allein..

    Ich ziehe mich in den dunkelsten Winkel zurück und spiele an den Reglern. Ich fahre dich so richtig hoch:

    Du bist vier Tage ziellos unterwegs. Du willst mit dem Zug und einer der grauen Mäuse nach Frankreich. Als der Automat kein Geld mehr ausspuckt, schlägst du auf ihn ein, schreist ihn an. Dann heulst du. Die graue Maus, fünf Minuten später wirst du sie vergessen haben, läuft im Regen davon. Du bemerkst ihn nicht einmal. Du bist barfuss und ohne Jacke.

    Du drischst auf einen Cola-Automaten ein. Die Dosen kommen längs aus ihm heraus, es erinnert dich diesen Film: Der Typ steckt seiner Frau unten eine Coladose rein, sie suckelt sie hoch, presst sie wieder raus, hin und her, dann poppt sie sie heraus und der Typ nimmt die Dose, reißt sie auf und gießt sich die Cola über sein Gesicht.

    Am Bahnhof fragt dich einer von den Schwarzen, ob du Steine willst. „Ich piss’ auf deine Scheißdrogen, Alter, gib mir lieber ne Waffe, Mann.“ Deine Augen durchstechen ihn, er überlegt nur kurz und sieht zu, dass er wegkommt.

    Du könntest eine Nutte, einen Schwulen oder einen Tabakladen abziehen, auch ohne Waffe. Aber der Auftrag ist ein anderer. Er ändert sich ständig. Manchmal scheinst du vergessen zu haben, wo du bist. Dann schaust du verwirrt auf und die Leute um dich herum sehen dich seltsam an. Entkommen. Sie sind bestimmt schon hinter dir her. „Wer?“ flüstert die Stimme, und du drückst sie ins Hirnmark, so dass sie erstickt.

    Doch ein Wort kann genügen, die zu Eis erstarrte Fassade rissig werden zu lassen. Eine winzige Prise der Depression, die dir bevorsteht, dringt in dich ein. Du weißt wie es werden wird, bald, wenn es bergab geht.

    Das Driften wird anstrengend, Batterien, die sich leeren. Der Reigen ist vorbei mein Freund, es lief glimpflich ab für uns diesmal, keine Polizei.

    Dann trennen wir uns wieder. Ich fahre dein System runter, ganz runter in den Keller. In der Schwärze lasse ich dich allein. Bei dir gibt es jetzt nichts mehr zu holen. Mit zittrigen Fingern schaust du in den Spiegel.. Du wünschtest, ich mache Schluss mit dir, aber du weißt, dass ich dich niemals sitzen lassen kann. Wir warten. Bis du wieder zu Kräften kommst. Bis bald.

    André Pluskwa

    18. Januar 07 in Love

    http://vice.typepad.com/vice_germany/2007/01/heartworms.html